Das Guthaben aus Betriebskostenabrechnung

Eine Gutschrift aus der Betriebskostenabrechnung ist von den tatsächlichen Aufwendungen der Leistungsbezieherin für die Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Abzug zu bringen, weil nach § 22 Abs 1 Satz SGB II aF die „entstehenden“ Aufwendungen gemindert werden und nicht die vom Jobcenter erbrachten.

Betriebskostenrückzahlungen mindern den Anspruch auf Alg II gemäß § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF nur dann mit dem vollen Rückzahlungsbetrag, wenn die Aufwendungen der Leistungsberechtigten für Unterkunft und Heizung durch den hierauf entfallenden Alg II-Anteil vollständig gedeckt waren. Wurden dagegen nur abgesenkte Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht, mindern Betriebskostenerstattungen den Alg II – Anspruch in dem bzw den folgenden Monat(en) nur um den Betrag, der nach ihrer Anrechnung auf die tatsächlich aufgebrachten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung – ohne Kosten der Warmwasserbereitung, soweit sie von der Regelleistung nach § 20 Abs 1 SGB II umfasst sind – verbleibt.

Zusätzlich zu den in der Rechtsprechung des BSG bereits aufgezeigten Besonderheiten der Berücksichtigung von Betriebskostenerstattungen als Einkommen1 trifft § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF eine die allgemeinen Vorschriften verdrängende Sonderregelung auch zu der Frage, nach welchem Modus und demnach in welcher Höhe den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnende Rückzahlungen und Guthaben sich mindernd auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung auswirken. Bis zur Einführung dieser Vorschrift waren entsprechende Zahlungen oder Gutschriften mindernd bei den nach dem SGB II zu erbringenden „Geldleistungen“ in Ansatz zu bringen, und zwar zunächst bei denen der Agentur für Arbeit und dann denen der kommunalen Träger (§ 19 S 3 SGB II idF von Art 1 Nr 18 Buchst b des GSiFoG). Abgesehen von möglichen Absetzbeträgen nach § 11 Abs 2 SGB II aF2 erschien dies dem Gesetzgeber insbesondere wegen des Nachrangs zu Lasten der kommunalen Träger als unbillig. Hierauf hat er mit der Einführung von § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF reagiert und damit die Anrechnung von Betriebskostenerstattungen auf das Alg II von der allgemeinen Regel des § 19 SGB II gelöst und sie stattdessen dem Bedarfsermittlungsregime des § 22 SGB II unterstellt3. In welcher Höhe dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnende Rückzahlungen und Guthaben den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mindern, bestimmt sich seither ausschließlich nach § 22 SGB II, zunächst nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF und seit dem 1.01.2011 nach § 22 Abs 3 SGB II nF. Demzufolge mindern Betriebskostenerstattungen abweichend von der allgemeinen Regel – nunmehr des § 19 Abs 3 S 1 SGB II idF des RBEG – nicht den nach anderen Vorschriften bestimmten Bedarf an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern sie gehen nach Maßgabe der spezialgesetzlichen Anrechnungsbestimmung des § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF in die Bedarfsermittlung selbst – hier für Unterkunft und Heizung – ein.

Diese Anrechnungsbestimmung sieht ihrem Wortlaut nach eine direkte Minderung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung durch Betriebskostenerstattungen nicht vor. Gemindert durch Betriebskostenrückzahlungen und -guthaben nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF – ebenso nunmehr nach § 22 Abs 3 Halbs 1 SGB II nF – werden vielmehr ausschließlich die „Aufwendungen“ für Unterkunft und Heizung. Demzufolge reduzieren Betriebskostenerstattungen den Bedarf für Unterkunft und Heizung nur in dem Maße, in dem die Minderung der „Aufwendungen“ für Unterkunft und Heizung nach den Regularien des § 22 SGB II auf ihn durchschlägt. Diese Unterscheidung zwischen Aufwendungen und Bedarf ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht deshalb unbeachtlich, weil „Aufwendungen“im Sinne von § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF als „angemessene Aufwendungen“im Sinne von § 22 Abs 1 S 2 SGB II zu verstehen und deshalb mit dem Bedarf für Unterkunft und Heizung deckungsgleich seien. Dagegen spricht schon, dass bei einer solchen Regelungsabsicht unschwer unmittelbar die Minderung des Bedarfs durch Betriebskostenerstattungen hätte angeordnet werden können. Darüber hinaus überzeugt das auch dem Wortlaut nach nicht. Unter „Aufwendungen“ werden schon nach allgemeinem Sprachgebrauch tatsächlich aufgebrachte Mittel oder Kosten zur Beschaffung von Gütern verstanden4. Ebenso liegt es in einer Vielzahl von Vorschriften beim SGB II selbst, etwa in der bei Einführung von § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF geltenden Fassung in dessen § 6b Abs 2 S 1, § 11 Abs 2 Nr 7, § 23 Abs 3 S 6 oder § 46 Abs 1 S 1 sowie in § 22 in dessen Abs 1 S 3; immer sind die tatsächlichen Aufwendungen gemeint. Zielt eine Regelung dagegen auf etwas anderes, ist dies jeweils ausdrücklich kenntlich gemacht, wie durch die Umschreibung der Aufwendungen als „angemessen“ oder „erforderlich“ etwa in § 22 Abs 1 S 2 oder § 23 Abs 3 S 6 SGB II5. Ohne zusätzliches Attribut spricht daher bereits der Wortlaut dafür, als geminderte „Aufwendungen“ ausschließlich die tatsächlichen Ausgaben für Unterkunft und Heizung zu verstehen.

Eine andere Auslegung wäre auch kaum praktikabel zu vollziehen. Nach seiner Verwaltungspraxis erachtet der Beklagte diejenigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als „angemessen“im Sinne von § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF, die zuletzt als Teil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von ihm bewilligt worden sind. Das überzeugt indes nicht. Anders als der Beklagte möglicherweise meint, vermögen vorangegangene Bewilligungsentscheidungen für spätere Anrechnungsentscheidungen nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF bzw nunmehr nach § 22 Abs 3 Halbs 1 SGB II nF formal keine Bindung zu entfalten. Deshalb würde jede Entscheidung über anzurechnende Betriebskostenerstattungen eine erneute Prüfung der Angemessenheit der Kosten von Unterkunft und Heizung für die Vergangenheit erfordern. Das könnte im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft noch ohne erheblichen Zusatzaufwand möglich sein. Zusätzlich wäre nach der Rechtsauffassung des Beklagten aber noch die Angemessenheit der Aufwendungen für das Heizen zu prüfen. Wäre dem zu folgen, würde deshalb jede Anrechnung von Betriebskostenerstattungen die Ermittlung einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunft und Heizung voraussetzen, was – wenn überhaupt – allenfalls mit erheblichem Verwaltungsaufwand leistbar wäre6. Dass der Gesetzgeber eine solche Prüfungstiefe für die Anrechnung regelmäßig eher geringer Erstattungsbeträge hat anordnen wollen, ist schwerlich anzunehmen; auch das spricht dafür, Betriebskostenvorauszahlungen auf die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung anzurechnen und demzufolge die vom SGB II-Träger zu erbringenden Leistungen nur um den Betrag zu mindern, der hiernach noch verbleibt.

Dem steht auch der Regelungszweck des § 22 Abs 1 S 4 SGB II nicht entgegen. Hiernach sollen den kommunalen Trägern Guthaben zugutekommen, die wesentlich mit ihren Beiträgen aufgebaut worden sind7. Dazu bedient sich die Regelung aber einer typisierenden Ausgestaltung, die auf die Aufbringung der Mittel im Einzelnen nicht abstellt, wie der 4. Bundessozialgericht des BSG bereits entschieden hat; von wem konkret die Betriebskostenvorauszahlung in der Vergangenheit aufgebracht worden ist und auf wen demgemäß der zurückerstattete Betrag entfällt, ist für die Anrechnung ohne Bedeutung8. Bei abgesenkten Leistungen für Unterkunft und Heizung ist das regelmäßig auch nicht feststellbar, weil kalte Betriebskosten und Nettokaltmiete Berechnungselemente einer einheitlichen Angemessenheitsprüfung sind9 und demzufolge bei einer nur teilweisen Übernahme der Kosten von Unterkunft und Heizung nicht ausweisbar ist, welcher Anteil der kalten Betriebskosten vom Grundsicherungsträger getragen worden und welcher bei den Leistungsbeziehern verblieben ist. Ist in solchen Fällen ein Teil der Betriebskostenerstattungen wirtschaftlich regelmäßig den Leistungsberechtigten selbst zuzuordnen, so kann die Anrechnung auf ihre tatsächlichen Unterkunftsaufwendungen unproblematisch als Ausgleich dafür angesehen werden, dass die partielle Übernahme der Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in der Vergangenheit für die Anrechnung nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF ansonsten unbeachtlich ist.

Nicht den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizungim Sinne von § 22 Abs 1 S 4 SGB II zuzurechnen sind hingegen – anders als es das SG seiner Berechnung zu Grunde gelegt hat – die Kosten der Warmwasserbereitung, soweit sie von der Regelleistung nach § 20 Abs 1 SGB II10 umfasst sind. In diesem Umfang war vom Gesetzgeber bis zur Novellierung des § 20 SGB II durch das RBEG in die Regelleistung nach § 20 SGB II aF ein Anteil für die Kosten der Warmwasserbereitung eingestellt11. Soweit die Warmwasserbereitung – wie hier – über eine zentrale und getrennt abgerechnete Beheizung erfolgt, sind deshalb die nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II aF wegen einer Betriebskostenerstattung zu mindernden Aufwendungen für Heizung jeweils um den Anteil zu kürzen, der in der Regelleistung für die Bereitung von Warmwasser enthalten ist.

Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 14 AS 83/12 R

  1. vgl insbesondere Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 139/11 R, BSGE 110, 294, SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 14 ff mwN[]
  2. vgl BSG Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 37 zu § 19 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954[]
  3. zu den Motiven vgl BT-Drs. 16/1696 S 26 f; siehe auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 207 ff[]
  4. vgl Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Aufl 1996, Bd 2 Stichworte „Aufwand, Aufwendungen“ und „aufwenden“; Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache, 3. Aufl 1999, Bd 1, Stichwort „Aufwand“[]
  5. in den Fassungen bei Inkrafttreten des GSiFoG[]
  6. vgl dazu nur BSG Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 36/08 R, BSGE 104, 41, SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 18 ff und zuletzt Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 60/12 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 22 Nr 69 vorgesehen[]
  7. BT-Drs. 16/1696 S 26[]
  8. BSG Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 139/11 R, BSGE 110, 294, SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 19[]
  9. BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R 36[]
  10. in den Fassungen bis zur Änderung durch das RBEG[]
  11. vgl dazu grundlegend BSGE 100, 94, SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 21 ff[]